Den Nutzen von Digitalisierung und Industrie 4.0 haben inzwischen die meisten Unternehmen auch in der Prozessindustrie erkannt. Doch verfolgen die meisten bislang Insellösungen und nicht eine durchgängige digitale Transformation. Obwohl eine solche signifikante Potenziale verspricht.
Kaum ein industrielles Unternehmen beschäftigt sich heute nicht mit Industrie 4.0 und den damit erhofften Effizienzvorteilen. Gleichwohl setzt bislang erst jedes zweite Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern eine bereichsübergreifende Digitalstrategie um. So das Ergebnis der 2018 von Bitkom Research durchgeführten Studie „Unterwegs zu digitalen Welten“. Und bei Betrieben mit 100 bis 199 Mitarbeitern gilt dies der Erhebung zufolge nur für rund jedes dritte Unternehmen. Bei Einbeziehung von Digitalisierungsstrategien lediglich für einzelne Unternehmensbereiche sind es immerhin drei Viertel aller Firmen, die sich damit beschäftigen.
Zugleich ergibt die Befragung aber auch, dass dieses wichtige Thema nur in 42 Prozent der Unternehmen Chefsache ist. Überwiegend seien es noch die IT-Abteilungen, die initiativ für Digitalisierungsprojekte sind. „Genau das ist aber ein Manko“, erläutert Dr. Clemens Eckert, Partner bei der Unternehmensberatung maexpartners und dort federführend für dieses Thema. „Denn es geht heute weniger um die technische Umsetzbarkeit von Digitalisierung, als vielmehr darum, den Mindset einer Organisation nachhaltig zu verändern.“ Denn eine wirkliche Digitalisierung bedeute einen tiefgehenden Eingriff in Arbeitsweisen und Anforderungsschritte, bei deren Implementierung es vor allem gilt, Mitarbeiter einzubinden und mitzunehmen.
Vollständige digitale Transformation statt nur Insellösungen
Eine durchgängige digitale Transformation verfolgen Eckert zufolge bislang die wenigsten Unternehmen, obwohl eine solche erfahrungsgemäß die größten Effizienzgewinne möglich macht. Vielmehr würden oft Insellösungen angestrebt, zum Beispiel in der Produktion, der Qualitätssicherung, im Vertrieb oder der Logistik. Darüber hinaus würden häufig noch analoge Prozesse nur digital aufgehübscht. Wenn beispielsweise an Projekten in der Entwicklung digital gearbeitet werde, dabei aber nicht jedes Element mit allen vorliegenden Informationen vernetzt ist sowie Mitarbeiter daran nur im gegenseitigen Austausch nacheinander und nicht gleichzeitig in Echtzeit Veränderungen vornehmen, dann sei das immer noch ein analoger Vorgang und keine intelligente Vernetzung der Datenbasis.
Für eine vollkommene digitale Transformation sieht Eckert einen umfassenden Change-Prozess als Voraussetzung. Ein solcher bedeute einen tiefgreifenden Eingriff in Arbeitsweisen und Anforderungsprofile. Während in traditionellen, hierarchisch geprägten Unternehmen Führungskräfte häufig noch Vorgabe und Kontrolle als wichtige Kriterien sehen und über mehr Wissen als andere verfügen, lösten sich solche Strukturen in digital geprägten Unternehmen zunehmend auf. Dort hätten alle eingebundenen Mitarbeiter Zugang zu den erforderlichen Informationen und mehr Eigenverantwortung. „Damit dies auch wirklich gelingt und diese erhebliche strukturelle Veränderung gemeistert wird“, betont Eckert, „macht es Sinn, eine professionelle Beratung und Begleitung als Unterstützung zu haben.“
Wie können Unternehmen diesen Weg gehen?
Die Frage, wie man als Unternehmen den erfolgreichen Schritt zu einer ganzheitlichen nativen Digitalisierung gehen kann, erreicht Eckert regelmäßig. Vor allem komme es ihm zufolge darauf an, dass im ersten Schritt eine Vision formuliert wird, was konkret durch die Digitalisierung erreicht werden soll. Erst danach stelle sich die Frage, welche technischen Voraussetzungen dafür geschaffen sein müssen. Darüber hinaus müsste die Organisationsstruktur im Unternehmen so gestaltet sein, dass die Digitalisierung greifen kann. Dabei gelte es, die Abläufe erst zu optimieren und dann zu digitalisieren. Zudem müssten die Menschen, die in einer digital transformierten Arbeitswelt tätig sein sollen, auch wirklich eingebunden und mitgenommen werden. Das sei häufig die größte Herausforderung.
„Dabei ist es meist hilfreich, sich nicht gleich zu große Ziele zu setzen und erstmal ein überschaubares Pilotprojekt zu definieren, das möglichst schnell positive Ergebnisse erwarten lässt“, erklärt Eckert. Denn gerade kleinere oder mittelständische Unternehmen können es sich nicht leisten, mehrere umfangreiche Digitalierungsprojekte zugleich anzustoßen, von denen vielleicht nur eines funktioniert.
Für ein Erfolgserlebnis sei es darüber hinaus wichtig, im Vorfeld zu klären, was man mit der Digitalisierung erreichen möchte. Ist es das primäre Ziel, zum Beispiel den Kundenkontakt zu verbessern, die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen, die Qualität zu steigern oder die Wertschöpfungskette zu erweitern und neue digitale Produkte anzubieten? Wer sich darüber im Klaren ist, könne nicht nur besser ein geeignetes Projekt definieren, sondern auch die positiven Effekte monetarisieren. „Bei großen Investitionsentscheidungen ist dies aber gerade der entscheidende Punkt“, unterstreicht Eckert. „Funktioniert es hingegen im Piloten und zahlt sich die Umsetzung der Digitalstrategie aus, lässt sich die positive Erfahrung auch auf andere Bereiche übertragen.“