Während das Schlagwort von der Industrie 4.0 in aller Munde ist, hat Herma in seiner Haftmaterialproduktion bereits Tatsachen geschaffen. Das Unternehmen setzt am Hauptsitz in Filderstadt auf eine weitgehend selbstorganisierte Produktion, also auf die intelligente Verknüpfung von Maschinen, Anlagen, Produkten und Logistik. Dazu hat das Unternehmen die komplette Automatisierung der Fertigungskommunikation in dem bestehenden Beschichtungswerks jetzt abgeschlossen. Die Steuerungen von 14 unterschiedlichen Anlagen wie Beschichtungs‑, Schneid- und Verpackungsanlagen kommunizieren nun pro Tag mittels etwa 15.000 „Datentelegrammen“ untereinander und mit der zentralen Unternehmenssoftware SAP. Dieser Ansatz wird von Anfang auch im neuen Beschichtungswerk realisiert, das gerade für rund 80 Millionen Euro entsteht und planmäßig im Herbst 2019 in Betrieb geht. Die Lösung hat schon in anderen Branchen für Interesse gesorgt, wo ebenfalls Produkte beschichtet und auf Rollen produziert werden.
Liefergeschwindigkeit und ‑korrektheit
Möglich wird die Verknüpfung unterschiedlicher Anlagen und Systeme durch spezielle OPC Router, also „Dolmetscher“, die die Sprache von SPS-gesteuerten Maschinen etwa in SAP-lesbare Daten umwandeln und umgekehrt. „Damit haben wir aktionsgesteuerte Fertigungsprozesse eingerichtet“, sagt Herma Geschäftsführer Dr. Thomas Baumgärtner. Das bedeutet zum Beispiel: Nach Abschluss eines Fertigungsschritts „weiß“ die nachfolgende Anlage bereits, was mit einer Rolle Haftmaterial zu tun ist, wählt etwa „selbstständig“ eine geeignete Verpackungsvariante aus, meldet das Gewicht an SAP, das wiederum gleich Verladezettel für Transport und Zoll erstellt. „So erzielen wir extrem gute Werte in Sachen Liefergeschwindigkeit und ‑korrektheit.“
Hohe Prozesssicherheit
Doch das Gesamtsystem kann noch wesentlich mehr. So senden die Maschinen Informationen zu Abnutzung und Wartungsintervallen an SAP, das wiederum bei Bedarf gleich ein Ticket für den zuständigen Servicetechniker erstellt. „Das Konzept der Vorbeugenden Wartung (Predictive Maintenance) wird dadurch erst so richtig ‚rund‘. Die in der Fertigung an vielen Punkten erhobenen Daten dienen aber vor allem auch dazu, Produktionsparameter lückenlos nachverfolgen und bis ins kleinste Detail reproduzieren zu können. Wir erreichen damit eine sehr hohe Prozesssicherheit“, erläutert Dr. Baumgärtner. „Außerdem können wir mit Hilfe dieser zentral gespeicherten Daten auch fehlerbehaftete Stellen einer Haftmaterialrolle sehr viel schneller beseitigen. Die Schneidanlage ruft sich dazu die erforderlichen Daten automatisch aus dem SAP-System ab. Das spart nicht nur viel Zeit, weil wesentlich weniger Laufmeter bewegt werden müssen, sondern es reduziert auch die Zahl möglicher Klebestellen – für Etikettendrucker ist das ein deutliches Plus“, erläutert Dr. Baumgärtner. Gerade diese Möglichkeiten haben sich jüngst Spezialisten von Klingspor live bei Herma angesehen. Das traditionsreiche Familienunternehmen aus Haiger ist mit rund 2.500 Mitarbeitern einer der weltweit führenden Hersteller von Schleifmitteln. Dafür kommen zum Teil ähnliche Fertigungstechnologien und ‑schritte zum Einsatz wie für Haftmaterial. „Was Herma heute schon realisiert hat, hat uns stark beeindruckt“, sagt Jonathan Mankel, Assistent der Geschäftsführung bei Klingspor. „Wir haben gesehen, wie der Gedanke der Industrie 4.0 mit hohem Effizienzgewinn in der betrieblichen Praxis eines aufgeschlossenen mittelständischen Unternehmens umgesetzt werden kann. Für unsere eigenen, in diese Richtung gehenden Pläne und Projekte hat der Austausch mit Herma wertvolle Anregungen geliefert.“