Die Auftrags- und Lieferketten der Automobil- und Zulieferindustrie stehen unter Stress im gesamten Produkt- und Prozess-Netzwerk. Dies betrifft die Verlässlichkeit der Kundenabrufe genauso, wie die Erfüllung der Lieferverpflichtungen (Qualität, Menge, Termin) und dies sowohl in den eigenen Fertigungs- und Montagestätten als auch bis zum letzten Partner in der Lieferkette.
In hohem Maße sind davon die Zulieferwerke der OEM und insbesondere die 1‑Tier-Zulieferer betroffen. Sie müssen die Schwankungen im Auftragsnetz der OEM und deren Zulieferer mit Mengen und Terminen weltweit antizipieren und strukturell sowie prozessorientiert punkt- und Zeitpunktgenau kompensieren.
Rehau gehört mit den weltweit über 170 Standorten und über 3,5 Milliarden Euro Umsatz zu den Unternehmen, denen es durch eine sehr breite, innovative und branchenübergreifende Produktvielfalt sowie hochflexible Produktionskonzepte immer wieder gelingt, in neue Wachstumsbereiche vorzudringen.
In gleichem Maße betrifft dies auch den Unternehmensbereich Rehau Automotive. Hier kommt es darauf an, nicht nur passgenau die sich wandelnden Fahrzeug- und Prozesskonzepte der OEM zuverlässig abzubilden, sondern auch die zunehmend volatile Auftragssituation kosten- und termin-optimiert zu erfüllen. Was das insgesamt für die Ausrichtung des Unternehmens, die Systeme und Prozesse bedeutet, wird auch im Beitrag von Rehau deutlich:
Rehau Automotive– Michael Colberg, COO
Transformationsprozesse konsequent vorantreiben–
Strategien und Maßnahmen für mehr Resilienz und Nachhaltigkeit
Eine Verbesserung oder Optimierung der Produktion innerhalb eines einzelnen Werks führt nicht zwangsläufig zu einer optimalen Produktion im gesamten Produktionsnetzwerk in Richtung der weltweiten Automobilkunden und die integrierten eigenen Werke und Lieferanten.
Produktion als Ganzen- Um die Effizienz und Leistungsfähigkeit des gesamten Netzwerks zu verbessern, ist es notwendig, über die Werksebene hinauszugehen und die Produktion als Ganzes zu betrachten.
Die Betrachtung der Gesamtdurchlaufzeiten über sämtliche Produktstufen in einem Netzwerk bezieht sich darauf, den gesamten Prozess vom Anfang bis zum Ende der Produktionskette zu analysieren. Hierbei wird die Zeit berücksichtigt, die benötigt wird, um ein Produkt oder eine Komponente durch alle Stufen der Herstellung, Montage und Lieferung zu bringen.
Durch diese Analyse können Potenziale für Verbesserungen und Effizienzsteigerungen identifiziert werden, die sonst möglicherweise übersehen werden könnten, wenn man sich nur auf die Optimierung innerhalb einzelner Werke konzentriert.
Eine Neuordnung der Produktionsallokation hebt einen Teil dieser Potenziale durch einen konsequent und grundlegend neu gedachten Fertigungsablauf. Hier greift zum Beispiel das Produktions- und Lieferkonzept „AURUM“. Hier gelingt es, mit hoher Flexibilität auf aktuelle Marktgegebenheiten und Kundenbedarfe fokussiert die Mengen‑, Termin- und Qualitätserfordernisse zu erfüllen.
Die Umgestaltung im Kontext der Optimierung der Produktion auf Netzwerkebene kann mehrere Aspekte umfassen, die dazu beitragen, die Effizienz und Leistungsfähigkeit des gesamten Produktionsnetzwerks zu verbessern. Einige dieser Aspekte können sein:
Analyse der Gesamtdurchlaufzeiten: Wie bereits erwähnt, umfasst dies die Untersuchung der Zeit, die benötigt wird, um ein Produkt oder eine Komponente durch alle Stufen der Herstellung, Montage und Lieferung zu bringen. Dies ermöglicht dann die Identifizierung von Engpässen und Verbesserungspotenzialen im gesamten Liefernetz.
Neuordnung der Produktionsallokation: Diese Umgestaltung beinhaltet die Überprüfung und mögliche Anpassung der Verteilung der Produktionskapazitäten und ‑ressourcen zwischen verschiedenen Werken und Standorten innerhalb des Netzwerks. Dadurch können Ressourcen besser genutzt und konkrete Effizienzsteigerungen erreicht werden. Zu berücksichtigen sind dabei auch, neue und innovative Konzepte für die Integration von externen Dienstleistern im Gesamtprozess. So wird eine zusätzliche Ressourcen-Flexibilität erreicht.
Neugestaltung des Fertigungsablaufs: Hierbei werden die Produktionsprozesse und ‑verfahren innerhalb der Werke bewertet und auf Zeit- und Kostenpotenziale optimiert. Dies beinhaltet dann auch die Weiterentwicklung von Lean- oder “One Piece Flow”-Methoden — inklusive der Verbesserung von Produktionsabläufen oder die Reduzierung von Vorlaufzeiten für Umstellung einzelnen Fertigungs- und Montageprogramme bis zum Unterlieferanten.
Implementierung neuer Technologien: Die Integration von Digitalisierung und Industrie 4.0, wie IoT, Big Data-Analysen, Künstliche Intelligenz und Automatisierungstechnologien, trägt dazu bei, die Produktionseffizienz wesentlich zu steigern. Hier lassen sich jetzt auch Methoden und Systeme nutzen, die sich in bestehende ERP-Systeme passgenau integrieren lassen. So werden die Defizite von ERP-Systemen im prozessnahen Bereich gut kompensiert.
Zusammenarbeit und Kommunikation: Eine verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen verschiedenen Werken, Abteilungen und Teams innerhalb des Produktions- und Liefernetzwerkes trägt dazu bei, die relevanten Prozesse zu optimieren und die Effizienz im gesamten Netzwerk zu steigern.
Schulung und Weiterbildung der Mitarbeiter: Um die Umgestaltung erfolgreich durchzuführen, ist es wichtig, die Mitarbeiter auf die Veränderungen vorzubereiten und ihnen die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, um mit den neuen Prozessen und Technologien umzugehen. Gleichzeitig werden so die bestehenden Führungskräfte und Mitarbeiter besser an das Unternehmen gebunden. Dies ist zunehmend ein Muss, will man die aktuellen Mitarbeiterengpässe und Fluktuationen reduzieren.
Überwachung und Kontrolle: Die kontinuierliche Messung und Überwachung der gesamten Prozesssituation ist entscheidend, um den Erfolg der Implementierung neuer Produktionskonzepte zu bewerten und gegebenenfalls dann auch weitere Optimierungsmaßnahmen zu ergreifen. Hier ausgehend von planungs- und ergebnisorientierten Unternehmenszielen und Daten eine Brücke zu den Führungssystemen vor Ort auf dem Shopfloor zu bilden, wird zum Muss. So können Abweichungen im gesamten Netzwerk früh erkannt und integriert bearbeitet werden.
Diese beispielhaften Grund-Aspekte bilden zusammen einen umfassenden Ansatz zur Umgestaltung und Optimierung der Produktion und Logistik auf Netzwerkebene im Einklang mit den Unternehmensplanungen und Veränderungen über die Kundenprozesse. So wird die Effizienz und Leistungsfähigkeit des gesamten Produktionsnetzwerks verbessert.
Welche Veränderungen in den Produkten, Märkten, Partnerstrukturen und Prozessen für die gesamte Industrie aktuell erkennbar und für die Zukunft prognostiziert werden, in den Unternehmen spezifisch eingeleitet/umgesetzt werden, Konsequenzen auf die globalen Netzwerke und Wertströme haben und welche unternehmensspezifischen Antworten in der gesamten Transformation gegeben werden, werden wir beim nächsten Automobilkongress am 26./27. April 2023 in Saarbrücken in Vorträgen, Werksbesuchen und Workshops diskutieren.
Der Jahreskongress des AKJ-Automotive beschäftigt sich deshalb am 26./27. April mit den Themen, die sich auf der Grundlage der erkennbar neuen Herausforderungen für die Produktion und Logistik mit den jetzt relevanten Konzepten und Möglichkeiten auseinandersetzen.